Kolumne: Jan Budde

Bis vor Kurzem herrschte noch entspannte Stimmung auf den Rängen und Plätzen der Nation. Der von Tau bedeckte Allergiker- freundliche Kunstrasen glänzte im Licht der zart aufgehenden Frühlingssonne, während sich die Vereinsoffiziellen am Seitenrand zur Begrüßung klassische Kinderschwüre pflegten – nicht selten auch stilecht mit ordentlich Rotze in der Hand. Jemandem nicht die Hand zu geben und selbige dennoch regelmäßig waschen zu müssen, waren die drastischsten Auswirkungen auf den Alltag der meisten.

Inzwischen ist der Handshake eine gefühlte Tätlichkeit oder nimmt zumindest die Verletzung des Gegenübers billigend in Kauf.
Absurd: Die Spielabsagen in der Bundesliga ließen Corona nun auch den Letzten realisieren, dass die Bedrohung existiert. Corona ist real. Inzwischen ist allen klat: Infizierte Protagonisten aus dem Fußball wie Timo Hübers (Hannover 96), Daniele Rugani (Juventus Turin) oder Mikel Arteta (Arsenal FC) waren nur die Spitze des Eisbergs, weitere Profis und Funktionäre folgten. Corona macht vor dem Fußball nicht Halt.

Auf europäischer Ebene war das bereits früj spürbar. Scharfe Restriktionen zur Verlangsamung der Ausbreitung des Corona-Virus schränken das gesellschaftliche Leben und den Fußball als Teil davon ein. Die Mannschaft des AS Rom reiste nicht nach Spanien und Inter Mailand trat von allen Wettbewerben zurück. Egal, wie sehr die UEFA es auch wollte: die paneuropäische EM 2020 war nicht mehr realisierbar. Die Frage, ob es Maßnahmen geben wird und wie angemessen diese sind, ist längst obsolet, viel entscheidender ist inzwischen, wie die langfristigen Folgen für den Fußball aussehen.

Gestern noch gefühlte Fußball-Übersättigung, hitzige Debatten, DFB- und Hopp-Proteste. Und jetzt? Der Corona-Virus sollte als Chance für den Fußball begriffen werden. Die Diskussion um Dietmar Hopp hatte sich auf einen Personenkult reduziert und es drohte in Vergessenheit zu geraten, worum es den meisten Kurven wirklich geht: Kollektivstrafen. Jetzt merkt der Fußball notgedrungener Maßen, Fußball ohne Fans ist wie der dickliche sportingbet Ronaldo, einfach nicht dasselbe und nur für Wettanbieter wirklich spannend. Oder wie es Sky-Kommentator Martin Groß im leeren Borussia-Park beim Geisterspiel Gladbach vs. Köln zusammenfasste: „Das hat was von Sonntagmorgen, D-Jugend, Kleinfeld.“

Die DFL wollte den Spielbetrieb unbedingt aufrechterhalten, primär aufgrund von ökonomischen Motiven, Lizenzen und Verträgen und gerade für kleine Vereine ist die Lage finanziell bedrohlich auf Grund laufender Kosten. Der Präsident von Aue machte klar, dass er Personalkürzungen in Erwägung ziehen muss.

Die Amateurvereine sind auf ihre Mitglieder angewiesen. Mitglied zu sein, bedeutet nicht nur einen Verein monetär zu unterstützen, sondern sich zu den Werten des Vereins zu bekennen. Es ist eine Form der politischen und demokratischen Teilhabe: zusammenzustehen, wenn man Abstand halten soll. Auch auf Amateurebene findet der Spielbetrieb nicht mehr statt. Und das ist gut so, denn es geht um mehr als das bloße Spiel. Profigeschäft und Amateure sind sich in der Hinsicht so nah wie lange nicht mehr: nur eine grüne Wiese, deren einsame Halme Wind und Wetter trotzen.

Doch darüber hinaus müssen solidarische Maßnahmen gefunden werden, die im Fußballgeschäft normalerweise Mangelware sind. Da reicht kein T- Shirt in Vereinsfarben, kein DANKE-Ehrenamt-Banner, keine scheinheilige Symbolpolitik wie bei Rassismus, eine Regenbogen-Kapitänsbinde bei Sexismus und Spielunterbrechungen zum Schutz der Ehre eines Milliardärs. Respekt sowie keine Toleranz gegenüber Sexismus und Rassismus sind Werte, die Amateurvereine vielerorts vorleben und die im Profigeschäft zu Werbeslogans verkommen sind.

Eben dieser Unterschied verdeutlicht: Fußball muss gesundschrumpfen. Corona ist wie ein Sprung in die Zukunft, der zeigt, wie Fußball ohne Fans, kritische Masse und diverse Vereinslandschaft aussieht. Wenn Corona für irgendetwas gut ist, vielleicht dann dafür, den Profi-Fußball solidarischer, überschaubarer und fairer zu machen – halt wieder ein bisschen mehr wie sonntagsmorgens, bei der D-Jugend, auf dem Kleinfeld. Wieder ein bisschen mehr, wie bei der TSG.

Jan Budde ist 28 Jahre alt und aktueller Trainer der D2. Er hat als Student soeben seine Masterarbeit abgegeben und arbeitet als Sprecher und Autor für die FUMS, wo er unter anderem die FUMSNEWS moderiert. Darüber hinaus ist er Teil der Hinterhofsänger, dem Podcast für Mainz 05.

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